Mitte September begannen wir im Büro des Naturzentrums eine Strichli-Liste. Allerdings nicht, um die Anzahl Besucher:innen im Naturzentrum zu erfassen, sondern die Anzahl Anrufe, die wir erhielten. Denn das Telefon läutete fast ununterbrochen und stets folgte die Frage: «Sind die Flamingos noch da?».
Es war die zweite grosse Sensation, die wir seit unserem Praktikumsbeginn Anfang Februar erleben durften. Im Frühling waren es 5 Frischlinge, die für Aufregung sorgten. Im September folgte dann die Ankunft der 20 juvenilen Rosaflamingos (Phoenicopterus roseus). Gespannt gingen wir nach der ersten Meldung an den Stausee, um diesen aussergewöhnlichen Besuch zu beobachten. Zudem lasen wir uns in die faszinierende Biologie der Rosaflamingos ein, um die vielen Fragen zu beantworten. Denn unsere Führungen wurden natürlich so angepasst, dass alle Gruppen, die uns im Naturzentrum besuchen kamen, das Naturschauspiel miterleben durften.
Der Erhalt von Lebensräumen ist für viele Pflanzen- und Tierarten essentiell. Eine Tatsache, die mir bereits vor Beginn des Praktikums bewusst war. Jedoch ist mir die Bedeutung des Klingnauer Stausees für die Biodiversität erst in den vergangenen letzten Monaten richtig klar geworden. Besonders die Flachwasserzonen sind für zahlreiche Zugvögel von grosser Bedeutung, da sie hier auf ihrer Reise rasten und sich ernähren können. Leider gibt es durch die Begradigung von Flüssen und andere anthropogene Einflüsse in der Natur nur noch wenige dieser wertvollen Lebensräume.
Die Anwesenheit der Rosaflamingos erscheint auf den ersten Blick wie ein lustiges Versehen. Doch gerade ihr langer Aufenthalt macht deutlich, dass dieses Wasser- und Zugvogelreservat die Auszeichnung «von internationaler Bedeutung» wahrlich verdient. Die Rosaflamingos wären nicht so lange geblieben, hätten sie hier nicht die Lebensgrundlage gefunden, die sie zum Überleben brauchen.
Vor einer Woche, kurz vor Ende des Praktikums, sind die Rosaflamingos weitergezogen. Auch wenn wir vermutet haben, dass dieser Tag kommen wird, ist es dennoch ungewohnt heute am Telefon zu antworten: «Nein, sie sind weggeflogen und wir wissen nicht, wohin».
Rosaflamingo. Foto: Michael Gysel. Rosaflamingos. Foto: Michael Gysel.
